Automaten – Mechanische Wunderwerke

Wenn man in der Zeit zurückblickt, lernen wir die ersten Vorläufer von Automaten kennen. In der griechischen Mythologie gab es schon künstliche Vögel, künstliche Diener sowie gehende und sprechende Statuen. Bei den Erzählungen dazu kann man natürlich abschließend nicht feststellen, was Mythos und Wahrheit ist.

Heron von Alexandria

Als „Alexandrinische Schule“ bezeichnet man das Forschen und Lehren hochrangiger Naturphilosophen in Alexandria. Hier sind Euklid, Archimedes und Heron von Alexandria noch heute bekannt. Archimedes wirkte zwar in Syrakus, dies gehörte aber zum Kulturkreis von Alexandria. Alle Protagonisten waren Meister der „einfachen Maschinen“. Als Antriebskraft nutzte man Wasser, Vakuum und Luftdruck für Schrauben, Keile und Hebel. Heron von Alexandria verfasste ein Werk mit dem Namen „Automata“ und beschreibt hier zum Beispiel Tempeltüren, die sich automatisch öffnen, zudem entwickelte er auch Musikmaschinen. Im Zusammenhang mit Heron wird auch über Zaubergefäße berichtet, mit denen einmal Wein und dann wieder Wasser produziert wurde. Bei Wikipedia findet man die Zeichnung eines Nachbaus einer Orgel, die Heron entwickelt haben soll und die mit Windkraft gesteuert wird. Nach dem Untergang des Römischen Reiches ging in Mitteleuropa viel antike Literatur verloren. Im arabischen Raum blieb sie dagegen vielfach erhalten. Über den Kalifen von Bagdad wurden alle Schriften zusammengesucht, die man finden konnte, übersetzt und überarbeitet. Die Schriften wurden in dem Buch Kitab al-Haiyal („das Buch der kunstvollen Vorrichtungen“) zusammengefasst. Als die Mongolen den arabischen Herrschaftsbereich überfielen, wurden viele Werke zerstört.

Spätmittelalter, Renaissance und Barock

In Mitteleuropa setzten sich die Gelehrten in den Klöstern im Spätmittelalter wieder mit den antiken Schriften auseinander. In einer Legende wird von Albertus Magnus (um 1200 – 1280) berichtet, der eine „sprechende Bildsäule“ geschaffen haben soll, diese aber von Thomas von Aquin zerstört wurde. In der Renaissance gab es eine „technische Revolution“, denn erstmals war es möglich, lebensgroße Automaten zu bauen. In dieser Zeit wurde auch das rein mechanische Uhrwerk erfunden, bisherige Uhren wurden bis dahin nur mit Wasser angetrieben. Die Automaten der „Alexandrinische Schule“ waren meist nur Modelle gewesen. Man weiß heute, dass Leonardo da Vinci (1452 – 1519) um 1495 das Design eines Roboters aufzeichnete und skizzierte. In den 1950er Jahren entdeckte man die Aufzeichnungen wieder und baute danach ein Modell, und dieses funktionierte. Es bewegte die Arme, drehte den Kopf und setzte sich auf. Zu nennen ist hier auch der französische Ingenieur Salomon de Caus (1576 – 1626), der im Jahr 1615 ein umfangreiches Werk („Les raisons des forces mouvantes“) herausbrachte und viele Automaten von Heron beschrieben hat. De Caus war ein Pionier auf dem Gebiet, lebensgroße Automaten zu bauen. In dieser Zeit gab es in Deutschland einige Goldschmiede und Feinmechaniker, die führend im Automatenbau waren. Hier ist Hans Schlottheim (1545 – 1625) zu nennen, der um 1585 für Karl V. (1500 – 1558) ein Schiff baute, das sich über Räder auf einer dahinschlängelnden Bahn bewegte. Dabei spielte eine Orgel und auf der Brücke stimmten Musikanten ihre Instrumente an. In gewissen Abständen donnern Kanonen, am Bug hissen Matrosen die Segel und der König sitzt auf einem Thron, senkt sein Zepter und wendet seinen Kopf.

Automaten im 18. Jahrhundert

Wenn man in der Zauberkunst über Zauberautomaten spricht, wird man sich wohl zuerst an den Schachtürken von Wolfgang von Kempelen (1734 – 1804) erinnern. Er zeigte ihn erstmals Ende der 1760er Jahre, andere Quellen nennen den Zeitraum Anfang der 1780er Jahre, auf einer zweijährigen Reise durch deutsche- und europäische Städte. Der Automat konnte Schach spielen, wobei im Inneren eine lebende Person die Züge tätigte. Nach dem Tod des Erfinders sah man ihn lange Zeit nicht mehr, bis Johann Nepomuk Mälzel (1772 – 1838) den Schachtürken nochmals ab 1824 vorführte. Dieses „Automatenwunder“ ging dann in die USA zu John K. Mitchell. Er schenkte ihn dann 1840 dem Peale’s Museum in Philadelphia, wo der Automat im Jahr 1854 bei einem Feuer verbrannte. Was für ein Verlust. Weniger bekannt ist, dass von Kempelen auch eine Sprechmaschine gebaut hat, die aber bedingt durch die Art, wie sie bedient wurde, nicht als Automat eingestuft wird.

Kupferstiche von Joseph Racknitz (1744 – 1818) aus dem Jahr 1789 für sein Buch, den Schachtürken von Wolfgang von Kempelen zu entschlüsseln.

Jacques de Vaucanson

Jacques de Vaucanson

Jacques de Vaucanson

Eine weitere Person können wir als Pionier nennen. Jacques de Vaucanson (1709 – 1782). Er wollte bewegende Anatomiemodelle entwickeln. Zu diesem Zweck widmete er sich dem Studium der Anatomie, Musik und Mechanik. Nach einigen Rückschlägen baute er einen flötenspielenden Schäfer in Lebensgröße, der mit Blasebälgen und Uhrwerken funktionierte, einen Trommler und eine mechanische Ente. Er stellte den Schäfer im Jahr 1738 der Öffentlichkeit vor und verursachte damit großes Aufsehen. Der Flötenspieler spielte zwölf verschiedene Melodien, dabei bewegte er die Finger, die Lippen und die Zunge. Am bekanntesten war seine 1738 fertig gestellte Ente, lebensgroß und aus Kupferblech gefertigt. Sie konnte baden, tauchen, quaken, Körner fressen und die Federn sträuben. Im Jahr 1741 wurde er zum Chefinspekteur der französischen Seidenmanufakturen ernannt. Zwei Jahre später verkaufte er seine Automaten. Im Jahr 1745 baute er den ersten automatischen Webstuhl, ein Jahr später wurde er Mitglied in der französischen Akademie der Wissenschaften und somit in den Adelsstand erhoben.

Pierre Jaquet-Droz

Pierre Jaquet-Droz

Pierre Jaquet-Droz

Pierre Jaquet-Droz (1721 – 1790) und sein Sohn Henri-Louis (1752 – 1791) stammten aus einer Uhrmacherfamilie und bauten gemeinsam mit Jean-Frédéric Leschot (1747 – 1824) um das Jahr 1770 drei Automaten, mit denen sie berühmt wurden. Heute kann man diese Automaten im schweizerischen Neuchâtel in einem Museum besichtigen. Es handelt sich um „den Schreiber“, „den Zeichner“ und „die Organistin“. Der Schreiber ist 70 cm hoch, sitzt vor einem kleinen Tisch und hält eine Gänsefeder in der Hand. Wird er in Gang gesetzt, taucht er die Feder in die Tinte, schüttelt sie leicht ab und beginnt, wenn ein weiterer Hebel betätigt wird, an zu schreiben. Dabei benimmt er sich wie ein echter Schreiber, setzt die Feder ab, macht einen Punkt und fängt wieder von vorne an. Er kann jeden Text bis zu 40 Zeichen schreiben. Der Text wird auf einer Scheibe mit auswechselbaren Nocken eingegeben. Der Mechanismus des Zeichners wird durch einen Satz von Nockenscheiben gesteuert, auf dem sich das Programm der Zeichnungen befindet. Durch auswechselbare Nockenscheiben können bis zu vier Zeichnungen erstellt werden. Die Organistin wird von einer Stiftwalze und damit verbundenen Nockenscheiben gesteuert. Damit werden die Finger der Hände bewegt. Die Musikerin kann bis zu fünf verschiedene Stücke spielen.

Jean Eugène Robert-Houdin

Jean Eugène Robert-Houdin

Jean Eugène Robert-Houdin

Als Pionier im Automatenbau kennen wir auch Jean Eugène Robert-Houdin (1805 – 1871). Seine Uhren waren damals eine Sensation. Ein Modell um ca. 1840 zeigte eine wunderschöne Uhr, die die Zeit mittels eines Zeigers anzeigte. Dem Betrachter war allerdings nicht klar, wie es funktionierte, denn es gab anscheinend keine Verbindung zwischen Ziffernblatt und der Basis. Zu jeder vollen und halben Stunde ertönte ein Glockenschlag. Er baute auch Trickautomaten, die meist mit Seilzügen oder Pedalsystemen betrieben wurden. Zur Steuerung kamen aber auch Menschen in den Automaten zum Einsatz. Bekannt sind hier ein mechanischer Vogel, eine singende Büste, „der Orangenbaum“ und „Antonio Diavolo“ der Trapezkünstler. Die beiden letztgenannten Automaten wurden von John Gaughan in den USA nachgebaut.

Die Pariser Automatenindustrie

Der französische Zauberkünstler „Stèvenard“ war ein begnadeter Feinmechaniker, er baute kleine und sehr komplexe Automaten. Bekannt ist sein „Zauberer“, der ein zehnminütiges Zauberprogramm mit erscheinenden und verschwindenden Gegenständen zeigte. Die Gebrüder „Maillardet“ produzierten „Magier und Pendelwahrsager“. In Paris entwickelte sich dann ab 1850 eine kleine Automatenindustrie. Die Hersteller kamen aus den Familien Vichy, Lambert, Decamps und Roullet. Waren die Automaten vergangener Tage eher teure Einzelstücke, wurden nun schon kleinere und günstigere Auflagen gefertigt. Sehr beliebt waren auch Singvogelautomaten.

John Nevil Maskelyne

John Nevil Maskelyne

John Nevil Maskelyne

John Nevil Maskelyne (1839 – 1917) zeigte in seinen Vorstellungen das zeichnende Mädchen „Zoe“ und ab 1875 den Whist spielenden Automaten „Psycho“. Dieser „Automatenspieler“ mit einer Größe von ca. 55 cm sah aus wie ein Inder mit Turban und saß im Schneidersitz auf einer Holztruhe, die auf einer Säule stand. Die Figur spielte perfekt Karten und gewann die meisten Partien. Hier spielt die Feinmechanik eine große Rolle. John Nevil war Uhrmacher, sein späterer Mitstreiter George Alfred Cooke (1825 – 1905) Möbeltischler. Beide sind durch die Entlarvung der Gebrüder Davenport als „Spirituelle Medien“ bekannt geworden. Maskelyne und Cooke gründeten im Jahr 1873 ihr eigenes Theater in der Egyptian Hall in London. Beide waren Vorreiter des Genres Großillusion, sie ließen Menschen in Kisten verschwinden oder durch Reifen schweben. Maskelyne hat im Jahr 1879 für die Zeitschrift „Leisure Hour“ zum Thema „Automaten“ fünf Essays verfasst. Hier geht er auch auf die Arbeiten von Robert-Houdin ein und beschreibt seine Automaten „Psycho“, „Zoe“ und zwei Instrumente spielende Figuren. Über das Portal „Collecting MagicBooks“ kann man sich einen Nachdruck mit 49 Seiten im Format 13 x 21 cm aus dem Jahr 2020 ordern.

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Der Urheber der beiden Fotos oben im Banner ist der Fotograf mit dem Namen RAMA.
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